Man systematisiert wie folgt die einzelnen Gründe für latente Steuern (= deferred taxes):
zeitliche
automatischer Ausgleich im Laufe der Zeit
bei IFRS relevant
quasi-permanente
kein automatischer Ausgleich
bei IFRS relevant
permanente
kein Ausgleich im Laufe der Zeit
bei IFRS nicht relevant.
Es existieren zwei Arten:
passive latente Steuern.
Die Idee der latenten Steuern ist folgende: wenn durch unterschiedliche Ansatzwahlrechte in Handels- und Steuerbilanz das Ergebnis der beiden Bilanzen unterschiedlich ist und sich der Unterschiedsbetrag aber in der Zukunft ausgleicht, so liegen latente Steuern vor.
Der Ansatz aktiver latenter Steuern lässt sich sehr gut an folgendem Beispiel erläutern.
Beispiel
Das Disagio kann in der Handelsbilanz aktiviert werden, muss aber nicht. Wenn es nicht aktiviert wird, muss es in der Gewinn- und Verlustrechnung als Zinsaufwand komplett angesetzt werden. Im Jahre 0 erfolgt also handelsrechtlich eine Aufwendung in Höhe von 1.000 €. Da in der Steuerbilanz das Disagio aktiviert werden muss und der Kredit Anfang des Jahres aufgenommen wurde, muss das Disagio steuerfinanziell bereits im Jahre 0 zu einem Viertel abgeschrieben werden. Der steuerrechtliche Aufwand beträgt damit 250 €. Die nachfolgenden Überlegungen lassen sich durch folgende Tabelle besser erläutern.
Anfangsperiode 0 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung bzw. Disagioabschreibung | 250 | 1.000 |
Ergebnis | 4.750 | 4.000 |
Steuern | 1.425 | 1.425 |
Ergebnis nach Steuern | 3.325 | 2.575 |
Man sieht, dass die Ergebnisse der Handels- und der Steuerbilanz nach Verrechnung des Aufwands für das Disagio unterschiedlich sind. Das Steuerbilanzergebnis ist höher als das Handelsbilanzergebnis. Da die Steuer sich nach dem steuerbilanziellen Ergebnis bemisst würde handelsbilanziell und steuerbilanziell dieselbe Steuer geschuldet und bezahlt. Das Ergebnis nach Steuern ist daher ebenfalls steuerbilanziell höher als handelsbilanziell.
In den folgenden Jahren wird handelsbilanziell kein Aufwand mehr angesetzt, da das Disagio im nullten Jahr bereits vollständig als Aufwand angesetzt wurde. Steuerbilanziell hingegen muss das Disagio weiterhin über noch drei Jahre abgeschrieben werden, damit insgesamt über eine Laufzeit von vier Jahren das Disagio von 1.000 € mit jeweils 250 € pro Jahr verteilt wird. Da handelsbilanziell kein Aufwand mehr angesetzt wird, kehren sich die Ergebnisse gerade um: das Handelsbilanzergebnis vor Steuern wird nun höher als das Steuerbilanzergebnis. Da die Steuern hierbei wieder gleich sind (denn die zu zahlende Steuer bemisst sich nach dem Steuerbilanzergebnis) ist ebenfalls das handelsbilanzielle Ergebnis nach Steuern mit 3.575 € höher als das Steuerbilanzergebnis nach Steuern mit 3.325 €. Die folgende Tabelle fasst diese Überlegungen zusammen:
Folgeperioden 1,2,3 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung bzw. Disagioabschreibung | 250 | - |
Ergebnis | 4.750 | 5.000 |
Steuern | 1.425 | 1.425 |
Ergebnis nach Steuern | 3.325 | 3.575 |
Entscheidend ist also, dass das Steuerbilanzergebnis in der Anfangsperiode höher ist als das Handelsbilanzergebnis am Anfang, dies sich jedoch in den Folgeperioden genau umkehrt: das Handelsbilanzergebnis ist plötzlich höher als das Steuerbilanzergebnis. Es handelt sich daher um eine temporäre Differenz (timing difference) nicht um eine permanente Differenz (permanent difference). Dies bedeutet, dass aktive latente Steuern angesetzt werden dürfen, aber nicht müssen. Es liegt daher ein Wahlrecht zum Ansatz aktiver latenter Steuern vor. Wenn diese aktiven latenten Steuern angesetzt werden, so rechnet man folgendermaßen. Man unterscheidet dann die Steuern in
zahlbare Steuern, die sich nach der Steuerbilanz ergeben und die tatsächlich gezahlten Steuern bezeichnen und
latente Steuern, die den Unterschiedsbetrag angeben, zu dem was handelsbilanziell als Steuer gezahlt werden müsste, wenn das Handelsbilanzergebnis maßgeblich für die gesamten Steuern wäre.
Daher zunächst die folgende Tabelle, die die Behandlung der Handels- und Steuerbilanz unter Einbezug von aktiven latenten Steuern in der Handelsbilanz angibt.
Anfangsperiode 0 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung bzw. Disagioabschreibung | 250 | 1.000 |
Ergebnis | 4.750 | 4.000 |
Steuern zahlbar Steuern latent | -1.425 - | -1.425 +225 |
Ergebnis nach Steuern | 3.325 | 2.800 |
Die zahlbaren Steuern von 1.425 € ergeben sich als 30 % vom steuerbilanziellen Ergebnis von 4.750 € und werden auch als solche in der Handelsbilanz angesetzt. Wenn jedoch das handelsbilanzielle Ergebnis von 4.000 € maßgeblich für die Bemessung der Steuer wäre, so würde man 0,3∙4.000 = 1.200 € als Steuer zahlen. Den Unterschiedsbetrag zwischen den tatsächlich zu zahlenden Steuern von 1.425 € und den fiktiv nach der Handelsbilanz zu zahlenden Steuern von 1.200 € bilden die aktiven latenten Steuern von 225 € die hier mit + angesetzt werden, da sie auf der Aktivseite verbucht werden.
Expertentipp
- Aktive latente Steuern werden gebildet, weil zu viel Steuern gezahlt wurden (und also ähnlich einer Forderung angesetzt werden).
- Passive latente Steuern werden gebildet, weil zu wenig Steuern gezahlt wurden (daher wie eine Verbindlichkeit behandelt werden).
Wenn aktive latente Steuern abgesetzt werden, so müssen diese in den darauffolgenden Jahren wieder aufgelöst werden. Das Disagio wird steuerbilanziell noch weitere drei Jahre abgeschrieben, d.h. in den folgenden drei Jahren kehren sich die Größenordnung zwischen handelsbilanziellem und steuerbilanziellem Ergebnis gerade wieder um; denn das Ergebnis der Handelsbilanz ist in den Jahren 1,2,3 mit 5.000 € höher als jenes der Steuerbilanz mit 4.750 €, wie die folgende Tabelle zeigt.
Folgeperioden 1,2,3 | Steuerbilanz | Handelsbilanz |
Ergebnis | 5.000 | 5.000 |
Aufwendung bzw. Disagioabschreibung | 250 | 0 |
Ergebnis | 4.750 | 5.000 |
Steuern zahlbar Steuern latent | -1.425 - | -1.425 -75 |
Ergebnis nach Steuern | 3.325 | 3.500 |
Wieder ist für die zahlbaren Steuern allein das Steuerbilanzergebnis mit 4.750 € maßgeblich und daher wiederum 0,3∙4.750 = 1.425 € als zahlbare Steuern anzusetzen. Wäre nun wiederum das handelsbilanzielle Ergebnis maßgeblich für die Steuerzahlung, so wäre 5.000∙0,3 = 1.500 € zu bezahlen. Da allerdings nach dem Steuerbilanzergebnis lediglich 1.425 € tatsächlich zu zahlen sind, werden gewissermaßen 75 € zu wenig an Steuern bezahlt. Daher schreibt man in die Tabelle -75 € und meint damit, dass die aktiven latenten Steuern von 225 € aus der nullten Periode über die drei folgenden Perioden mit jeweils 75 € aufgelöst werden, denn 3∙75 = 225 €.
Merke
- entweder als zu wenige gezahlten Steuern, denn nach Maßgabe der Handelsbilanz wären noch 75 € Steuern mehr zu zahlen, oder
- als Auflösung der aktiven latenten Steuern von 225 € über drei Perioden.