Die Abschaffung der Abzinsungspflicht bestimmter Verbindlichkeiten im Steuerrecht durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz markiert eine signifikante Änderung in der steuerlichen Bilanzierung. Diese legislative Änderung spiegelt eine Anpassung an das veränderte wirtschaftliche Umfeld und die Zinsniveaus wider und soll einen Beitrag sowohl zur Reduktion bürokratischer Lasten als auch zur Vereinfachung des Steuerrechts leisten. Die Entscheidung, diesen Abzinsungssatz von 5,5 % fallen zu lassen, signalisiert eine Neubewertung der Relevanz von künftigen Verpflichtungen im Hinblick auf ihre wirtschaftliche Belastung für den Schuldner. Im Zuge dieses Artikels werden die bilanziellen Konsequenzen dieses Schrittes umfassend diskutiert. Darüber hinaus wird eine Analyse der verschiedenen Methoden zur Barwertermittlung angeboten, wie sie vor dieser Gesetzesänderung Anwendung fanden. Dies bietet einen wichtigen Einblick in die sich wandelnden Prioritäten innerhalb der Steuergesetzgebung und deren Auswirkungen auf die Bilanzpraxis.
Neuausrichtung der Bilanzierungspraxis: Aufhebung der Abzinsungspflicht für Verbindlichkeiten im Steuerrecht
Die Bilanzierungspraktiken für Verbindlichkeiten haben sich durch gesetzliche Änderungen gewandelt. Nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) mussten Rückstellungen mit einer Laufzeit über einem Jahr abgezinst werden, wobei der Abzinsungssatz von der Deutschen Bundesbank festgelegt wurde. Verbindlichkeiten hingegen wurden gemäß dem Erfüllungsbetrag bilanziert. In der Steuerbilanz fand eine Abzinsung von Verbindlichkeiten unter Anwendung von § 6 Nr. 2 EStG statt, basierend auf einem festgesetzten Zinssatz von 5,5 %. Dies galt jedoch nicht für kurzfristige, verzinsliche oder auf Anzahlungen basierende Verbindlichkeiten.
Die Bewertung konnte alternativ über Vervielfältiger erfolgen, wobei das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zwischen Fälligkeits- und Tilgungsdarlehen unterschied, abhängig von der Rückzahlungsstruktur und Restlaufzeit. Bei Fälligkeitsdarlehen bezog sich die Abzinsung auf den vereinbarten Rückzahlungszeitpunkt. Bei Tilgungsdarlehen hingegen war die Abzinsung auf die letzte Rate fokussiert und berücksichtigte die Verwendung von Vervielfältigern für die Kapitalisierung.
Mit dem neuen Gesetz vom 19. Juni 2022 wurde diese Abzinsungspflicht für alle nach dem 31. Dezember 2022 endenden Wirtschaftsjahre in Bezug auf Verbindlichkeiten gestrichen. Dies ermöglicht es Unternehmen ab dem Wirtschaftsjahr 2023 Verbindlichkeiten ohne Abzinsung zu bilanzieren, was einen einmaligen, steuermindernden Aufwand mit sich bringt und die Notwendigkeit der Abgrenzung latenter Steuern aufhebt, da sich Handels- und Steuerbilanzwerte nun entsprechen.
Bilanzierung von Verbindlichkeiten nach neuem Recht
Unter dem aktualisierten Steuerrecht, eingeführt durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz am 19. Juni 2022, erlebt die Bilanzierungslandschaft eine wesentliche Veränderung: Die bisherige Pflicht zur Abzinsung von Verbindlichkeiten, wie sie in § 6 Abs. 1 Nr. 3 a. F. des Einkommensteuergesetzes (EStG) verankert war, wurde abgeschafft. Diese bedeutende Änderung tritt erstmals für Geschäftsjahre in Kraft, die nach dem 31. Dezember 2022 abgeschlossen werden. Konkret bedeutet diese Änderung, dass für das Geschäftsjahr 2023 keine Abzinsung mehr erforderlich ist, sofern dieses mit dem Kalenderjahr übereinstimmt.
Des Weiteren bietet der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 12 Satz 3 EStG Steuerpflichtigen die Möglichkeit, bereits für vorherige Geschäftsjahre einen Antrag zu stellen, um von der Abzinsung abzusehen. Dadurch öffnet sich ein Fenster für Unternehmen, in noch nicht abschließend verhandelten Fällen, die Abzinsung außer Acht zu lassen.
Die Abschaffung der Abzinsung führt zu einem unmittelbaren finanziellen Vorteil: Im Jahr der Erstverbuchung entsteht durch den Ansatz der Verbindlichkeit zum Nominalwert ein einmaliger, in voller Höhe steuermindernder Aufwand. Dies hat auch zur Folge, dass latente Steuern, die zuvor auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen wurden, nun entfallen. Damit wird eine Übereinstimmung des Bilanzansatzes in Handels- und Steuerbilanz erreicht, wodurch eine Vereinfachung der bilanziellen Darstellung und der steuerlichen Berechnungen erreicht wird.
EXKURS: Diskontierung vs. Askontierung
Die Begriffe Diskontierung und Askontierung stammen aus der dynamischen Investitionsrechnung und sind eines ihrer wichtigsten Merkmale. Im Gegensatz zu den statischen Verfahren betrachtet man im dynamischen Verfahren alle Perioden der Nutzungsdauer einzeln.
Jedem einzelnen Nutzungsjahr werden prognostizierte Rückflüsse zugeordnet. Ebenfalls ein wesentliches Merkmal ist die Zinseszinsrechnung. Zinseszins ist im Finanzwesen ein fälliger Zins, der dem Kapital hinzugefügt und künftig zum geltenden Zinssatz zusammen mit dem Kapital verzinst wird. Relevant sind hier die Askontierung (Aufzinsung) und Diskontierung (Abzinsung).
Die Askontierung befasst sich mit der Frage, was ein heute festgelegter Betrag zu einem zukünftigen Zeitpunkt wert ist. Hierzu wird zu dem heutigen Wert der Zinsbetrag bis zum zukünftigen Zeitpunkt hinzugerechnet.
Die Diskontierung, die für die dynamischen Verfahren äußerst relevant ist, stellt das genaue Gegenstück zur Askontierung dar. Sie zeigt, was ein zukünftig zu zahlender Betrag heute Wert ist. Hier wird diesem in Zukunft fälligen Betrag der Zins bis zum heutigen Zeitpunkt abgezogen. Der Zins zeigt hier die Zeitpräferenz aus, da ein heute gezahlter Geldbetrag mehr wert ist als der selbe Betrag, der zu einem späteren Zeitpunkt gezahlt wird. Der Zinssatz für die Zinseszinsrechnung wird durch das investierende Unternehmen festgelegt und verleiht den Anforderungen dieses Unternehmens an Mindestverzinsung, Inflationsberücksichtigung etc. Ausdruck! Der Zinssatz kann sich am kalkulatorischen Zinssatz aus der Kostenrechnung oder den Fremdkapitalkosten orientieren.
Dynamische Investitionsrechnungen basieren anders als statische Investitionsrechnungen auf Ein- und Auszahlungen und bedienen sich finanzmathematischer Methoden. Bei der Ermittlung der Auszahlungen bleiben Zinsen unberücksichtigt, da durch die Dynamisierung bereits eine Abzinsung erfolgt.
Die Dynamischen Verfahren stellen eine Modellrechnung dar und basieren auf dem „vollkommenen Kapitalmarkt“.
Fazit
Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2022 stellt einen Wendepunkt in der Bilanzierungspraxis für Verbindlichkeiten dar. Mit der Eliminierung der Abzinsungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 a. F. EStG leitet es einen Paradigmenwechsel ein: Unternehmen können nun ihre Verbindlichkeiten ohne die Notwendigkeit einer Abzinsung bilanzieren. Diese Änderung vereinfacht die Bilanzierung erheblich und eliminiert die Differenzierung zwischen Handels- und Steuerbilanzwerten. Betroffen hiervon sind alle Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 enden.
Die Möglichkeit, auch rückwirkend auf die Abzinsung zu verzichten, bietet zudem Flexibilität und kann steuermindernd wirken, da der einmalige Aufwand aus dem Ansatz zum Nominalwert direkt das Ergebnis des Unternehmens verbessert.
Die Aufhebung der Abzinsung entlastet Unternehmen von komplexen Berechnungen und trägt zur Transparenz bei, indem sie die Darstellung der finanziellen Verpflichtungen in der Bilanz vereinfacht. Besonders hervorzuheben ist die Bedeutung der Gesetzesänderung als positiven Schritt zur Vereinfachung des Steuerrechts und zur Entlastung der Unternehmen in einer wirtschaftlich herausfordernden Zeit.