Auf sprachliche Genauigkeit kommt es in einer mündlichen Prüfung sehr stark an. Wir wollen dies klarmachen anhand dreier Beispiele der Buchführung, nämlich
1. dem Unterschied zwischen "dürfen", "müssen" und "nicht dürfen",
2. dem Unterschied zwischen "Herstellkosten" und "Herstellungskosten" und
3. dem Unterschied zwischen "Rücklagen" und "Rückstellungen".
Außerdem ist
4. der Sprachstil
nicht ganz unwichtig.
Zu 1. In der Bilanzierung ist es zunächst sehr wichtig, zwischen "dürfen", "müssen" und "nicht dürfen" zu unterscheiden. Es geht also um
- Ansatzverbote
- Wahlrechte
- Ansatzwahlrechte
- Bewertungswahlrechte
- Pflichten
Der Begriff "nicht dürfen" bedeutet ein Ansatzverbot. Diese liegen vor
- im Falle des § 248 I HGB und
- im Falle des § 248 II 2 HGB.
Beispiel
Warum erwähnen wir den originären Goodwill, der doch auch nicht aktiviert werden darf, nicht bei den Aktivierungsverboten? Ganz einfach: weil er schon bei der abstrakten Aktivierungsfähigkeit rausfällt (denn er ist nicht selbständig verwertbar).
Beim Wort "dürfen" liegt ein Wahlrecht vor, sei es ein
- Aktivierungswahlrecht oder ein
- Bewertungswahlrecht.
Beispiel
Immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die nicht entgeltlich erworben wurden, dürfen (!) aktiviert werden.
Dies gilt nach § 248 II 1 HGB. Es liegt ein Ansatzwahlrecht vor.
Ein Ansatzwahlrecht ist aber nun nicht mit einem sog. Bewertungswahlrecht zu verwechseln.
Beispiel
Dies ist so in § 255 II 3 HGB kodifizert. Da es hier nicht um die Frage geht, "ob" (= Ansatz) etwas in die Bilanz gelangt, sondern vielmehr die "Höhe" fraglich ist, spricht man von einem Bewertungswahlrecht statt von einem Ansatzwahlrecht.
Nun zum Begriff "müssen". Es gilt:
Methode
Wenn nun
- die abstrakte Aktivierungsfähigkeit (selbständige Bewertbarkeit, selbstständige Verwertbarkeit) gegeben ist,
- kein Aktivierungsverbot der Aktivierung entgegensteht und
- auch kein Aktivierungswahlrecht ausgenutzt werden kann,
so ist die konkrete Aktivierungsfähigkeit gegeben, eine Aktivierungspflicht (= Aktivierungsgebot) liegt vor.
Zu 2. Herstellkosten ist ein Begriff des Internen Rechnungswesens (= Kostenrechnung = Kosten- und Leistungsrechnung), Herstellungskosten hingegen gehören zum Externen Rechnungswesen (= Bilanzierung = Buchführung).
Herstellkosten sind individuell von der Unternehmung, die eine Kostenrechnung betreibt, festlegbar, hingegen sind Herstellungskosten kodifiziert und also gesetzlich festgelegt, nämlich in § 255 II HGB.
Methode
Wer die beiden Begrifflichkeiten Herstell- und Herstellungskosten miteinander verwechselt, riskiert mindestens ein Naserümpfen des Prüfungsausschusses, wenn nicht noch schlimmere Sanktionen, denn er zeigt, dass er den Unterschied zwischen den Prüfungsfächern nicht komplett durchdringt.
Zu 3. Rücklagen gehören zum Eigenkapital, Rückstellungen hingegen zum Fremdkapital. Wer die beiden Begrifflichkeiten verwechselt, zeigt, dass er entscheidende Dinge nicht verstanden hat.
Methode
Es läge also kein Kavaliersdelikt vor, sondern vielmehr ein Fehler, der auch ein Durchfallen rechtfertigt.
Zu den Rücklagen. Wir unterscheiden
- offene Rücklagen
- Kapitalrücklage (man beachte den Singular!)
- Gewinnrücklagen (man beachte den Plural)
- stille Rücklagen (= stille Reserven)
- Unterbewertung von Aktiva
- Überbewertung von Passiva.
Die Rückstellungen erläutern wir ausführlich in einem späteren Kapitel.
Zu 4. Weiterhin sollten Sie natürlich nicht zu leise und nicht zu laut sprechen. Nicht zu aggressiv und aber auch nicht zu leise. Finden Sie hier das richtige Maß, indem Sie vor Freunden einen Vortrag üben. Diese sollten Ihnen ehrlich sagen, ob Sie zu leise oder zu laut sprechen.
Weiterhin ist Vorsicht geboten bei "absoluten Aussagen". Oftmals sind hier "relative Aussagen" für eine Prüfung geglückter.
Warum sollte das so sein? Gibt es nicht schließlich auch Unternehmen, die einen hohen Verschuldungsgrad haben und damit erfolgreich sind? Ihre Aussage sollte vielmehr so lauten:
- wenn (!) man sich im negativen Hebel befindet (Gesamtkapitalrendite höher als der Fremdkapitalzinssatz),
- dann bedeutet eine "immer höhere" (nicht eine hohe, sondern eine immer höhere) Verschuldung
- einen sinkende Eigenkapitalrendite.
Diese Aussage ist viel vorsichtiger als die Aussage "der Verschuldungsgrad ist zu hoch". Außerdem aber ist die Aussage korrekt, weil konkret. Die andere Aussage ist zu allgemein und könnte leicht als falsch Ihnen ausgelegt werden.